Mein Freund, der Baum

Ein grünes Paradies
Der beeindruckende Hotelpark des Castello del Sole ist der grösste der Schweiz. Auf einer Fläche von 110 000 Quadratmetern gedeihen über 362 verschiedene Baum- und Straucharten. Darunter wahre Schätze der Natur. Einige der Bäume sind über hundert Jahre alt. Baumflüsterer Antonio a Marca umsorgt die grünen Riesen und kennt ihre Geheimnisse.

Der Stolz des parks
Die mächtige Stieleiche, mit 150 Jahren der älteste Baum des Anwesens
Ihre massiven Äste breiten sich weit über den Boden aus. Das imposante Exemplar symbolisiert Werte wie Standfestigkeit und Stärke, die seit der Antike mit dieser Baumart verbunden werden. Unweit des Seeufers überragt eine Schwarzerle mit einer imposanten Höhe von 33 Metern alle anderen Bäume. Auch exotische Arten finden hier ihren Platz, wie die seltene Kaschmir-Zypresse, die normalerweise in den Höhen des Himalayas gedeiht. Im Park des Castello del Sole fühlt sie sich auf nur knapp 200 Metern über dem Meeresspiegel wohl — ein botanisches Wunder.

“Bäume sprechen zu uns, man muss nur lernen, ihre Zeichen zu lesen”
Antonio a Marca kennt jeden einzelnen Baum «persönlich» — von der Krone bis zu den Wurzeln. Seit Jahren kümmert sich der Förster und Baumpfleger aus Mesocco um ihr Wohlergehen.
Ein Blick in die Krone reiche oft aus, um zu sehen, wie es einem Baum geht. Schwere Äste, rissige Rinde oder lichte Kronen — all das sind Warnsignale, die Antonio a Marca sofort erkennt. Besonders aufmerksam ist er bei Anzeichen von Holzpilzen, die sich bei kranken Bäumen oft aufgrund verletzter Wurzeln ansiedeln.


Die Arbeit des Baumpflegers
Zusammen mit seinem Team prüft der 64-Jährige jedes Jahr die Stabilität der Bäume. Mit dem gezielten Beschneiden der Krone können die Profis sicherstellen, dass das Gewicht des Baumes gut verteilt ist und damit auch bei starkem Wind keine Gefahr besteht. Zusätzlich kommen auch Computer und Schallwellen zum Einsatz: «Die moderne Technik hilft uns, unter die Rinde zu schauen und allfällige Fäulnis oder Schädlingsbefall rechtzeitig zu erkennen.»
Wie im Jahr 2022, als rund 20 Bäume gefällt werden mussten. «Ein solcher Eingriff in die Natur ist immer ein schwerer Schritt. Es sind ja alles Lebewesen. Aber die Sicherheit der Gäste geht vor.» Zudem sei jeder gefällte Baum durch einen neuen ersetzt worden, weshalb der Park nichts an seiner Schönheit eingebüsst habe.

“Ich verbrachte meine gesamte Kindheit auf den Bäumen”
Aufgewachsen am Waldrand von Mesocco, begleitete Antonio a Marca den Grossvater auf die Alp. Dort gab es nichts ausser Natur.
«Bis heute ziehe ich mich zwischendurch in die Kronen zurück, um ihr Wesen besser zu verstehen. Es ist ein einzigartiges Gefühl, das ich nicht in Worte fassen kann.»

Als gelernter Förster arbeitete Antonio a Marca lange in den Bergwäldern seiner Heimat, bis er nach einer Weiterbildung zum Baumpfleger in den 1990er-Jahren die erste Baumpflegefirma im Tessin gründete. Seither erstellt er Gutachten und Expertisen für städtische Parks und private Grünanlagen, wie den Park des Castello del Sole.
Im Laufe der Zeit habe sich die Natur merklich gewandelt. Besonders in den Bergen seien die Veränderungen überall sichtbar, so litten beispielsweise Fichten stark unter dem Borkenkäfer. Dem Hotelpark hingegen gehe es gut. Solange der Lago Maggiore nicht austrocknet, ist der alte Baumbestand nicht gefährdet.
Und so blickt der Hüter der Bäume im Castello del Sole pragmatisch auf die Klimakrise: «Vielleicht braucht die Natur 500 Jahre, um sich davon zu erholen. Aber sie wird auch noch da sein, wenn es uns längst nicht mehr gibt. Und das ist gut so.»
Für Antonio a Marca sind Bäume eben weit mehr als Pflanzen. Sie sind lebendige Denkmäler, die es zu schützen und zu pflegen gilt, damit auch künftige Generationen ihre Stämme hochklettern oder in ihrem Schatten wandeln können.
Anina Rether